September 19, 2015

ΕΝΑ ΑΚΟΜΑ ΣΧΕΤΙΚΟ ΠΟΙΗΜΑ ΤΟΥ ΜΠΕΡΤΟΛΤ ΜΠΡΕΧΤ ΑΠΟ ΤΟ 1947

Μεταφέρω εδώ το συγκλονιστικό ποίημα του Μπρεχτ που δημοσίευσε με σχόλιο στην προηγούμενη ανάρτηση ο εκλεκτός διαδικτυακός φίλος «Μη Απολιθωμένος (ακόμα!) από τις ακτές της Ανατολικής Βαλτικής».
Δυστυχώς τα γερμανικά μου δεν αρκούν για μετάφραση που στέκει - μόνο για τη συγκίνηση. Το βρήκα όμως μελοποιημένο από τον κορυφαίο Χ. Άισλερ (τραγούδι: Ε. Μπους). Ευχαριστούμε!

Ένα ακόμα σχετικό ποίημα του Μπ. Μπ. από το 1947 στο πρωτότυπο· ο τίτλος του μεταφράζεται στα ελληνικά «Η αναχρονιστική πομπή (ή: πορεία) ή Ελευθερία και Δημοκρατία». Δεν ξέρω αν υπάρχει ελληνική μετάφραση, αλλά το ποίημα ανήκει στα «δυσκόλως» μεταφράσιμα ποιήματα του Μπ. Μπ., γιατί προϋποθέτει —εκτός των άλλων (εξοικείωση με την γερμανική και την νεοελληνική μετρική κ. ά.)— άριστη γνώση της γερμανικής πολιτικής ιστορίας του 20ού αιώνα. Το κείμενο βασίζεται εν μέρει στην έκδοση: Bertolt Brecht, Ausgewählte Werke in sechs Bänden, Vierter Band (Gedichte 2), Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997, σελίδες 386–391και εν μέρει στην έκδοση: Bertolt Brecht, Hundert Gedichte 1918–1950, Berlin: Aufbau-Verlag 1952, σελίδες 95–103, η οποία κυκλοφόρησε ζώντος του Μπρεχτ. Για όσους ενδιαφέρονται για την ποίηση του Μπ. Μπ. υπάρχει η συγκεντρωτική έκδοση του ποιητικού έργου σ’ έναν τόμο: Bertolt Brecht, Die Gedichte, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2000.
Μη Απολιθωμένος (ακόμα!) από τις ακτές της Ανατολικής Βαλτικής

                                                 (K. Hanns Eisler/ Ges. von Ernst Busch)


DER ANACHRONISTISCHE ZUG
ODER
FREIHEIT UND DEMOCRACY
(1947)

Frühling wurd’s in deutschem Land.
Über Asch und Trümmerwand
Flog ein erstes Birkengrün
Probweis, delikat und kühn,

Als von Süden, aus den Tälern,
Herbewegte sich von Wählern
Pomphaft ein zerlumpter Zug,
Der zwei alte Tafeln trug.

Mürbe war das Holz von Stichen
Und die Inschrift sehr verblichen,
Und es war so etwas wie
Freiheit und Democracy.

Von den Kirchen kam Geläute.
Kriegerwitwen, Fliegerbräute,
Waise, Zittrer, Hinkebein –
Offnen Maules stand’s am Rain.

Und der Blinde frug den Tauben,
Was vorbeizog in den Stauben,
Hinter einem Aufruf wie
Freiheit und Democracy.

Vornweg schritt ein Sattelkopf,
Und er sang aus vollem Kropf:
„Allons, enfants, god save the king
Und den Dollar, kling, kling, kling.“

Dann in Kutten schritten zwei,
Trugen ’ne Monstranz vorbei.
Wurd die Kutte hochgerafft,
Sah hervor ein Stiefelschaft.

Doch dem Kreuz dort auf dem Laken
Fehlten heute ein paar Haken,
Da man mit den Zeiten lebt,
Sind die Haken überklebt.

Drunter schritt dafür ein Pater,
Abgesandt vom Heiligen Vater,
Welcher tief beunruhigt,
Wie man weiß, nach Osten blickt.

Dicht darauf die Nichtvergesser,
Die für ihre langen Messer
Stampfend in geschloßnen Reihn
Laut nach einer Freinacht schrein.

Ihre Gönner dann, die schnellen
Grauen Herrn von den Kartellen:
Für die Rüstungsindustrie
Freiheit und Democracy.

Einem impotenten Hahne
Gleichend, stolzt ein Pangermane
Pochend auf das freie Wort.
Es heißt Mord.

Gleichen Tritts marschiern die Lehrer,
Machtverehrer, Hirnverheerer,
Für das Recht, die deutsche Jugend
Zu erziehn zur Schlächtertugend.

Folgen die Herren Mediziner,
Menschverächter, Nazidiener,
Fordernd, daß man ihnen buche
Kommunisten für Versuche.

Drei Gelehrte, ernst und hager,
Planer der Vergasungslager,
Fordern auch für die Chemie
Freiheit und Democracy.

Dort die Stürmerredakteure
Sind besorgt, daß man sie höre,
Und nicht jetzt etwa vergesse
Auf die Freiheit unsrer Presse.

Einige unsrer besten Bürger,
Einst geschätzt als Judenwürger,
Jetzt verschrien, seht ihr hier schreiten
Für das Recht der Minderheiten.

Früherer Parlamentarier,
In den Hitlerzeiten Arier,
Bietet sich als Anwalt an:
Schafft dem Tüchtigen Freie Bahn!

Und der schwarze Marketier
Sagt, befraget: Ich marschier
Auf Gedeih (und auf Verberb)
Für den Freien Wettbewerb.

Und der Richter dort: zur Hetz
Schwenkt er frech ein alt Gesetz:
Lachend von der Hitlerei
Spricht er sich und alle frei.

Künstler, Musiker, Dichterfürsten,
Schrei’nd nach Lorbeer und nach Würsten,
All die Guten, die geschwind
Nun es nicht gewesen sind.

Peitschen klatschen auf das Pflaster:
Die SS macht es für Zaster,
Aber Freiheit braucht auch sie,
Freiheit und Democracy.

Und die Hitlerfrauenschaft
Kommt, die Röcke hochgerafft,
Fischend mit gebräunter Wade
Nach des Erbfeinds Schokolade.

Spitzel, Kraft-durch-Freude-Weiber,
Winterhelfer, Zeitungsschreiber,
Steuer-Spenden-Zins-Eintreiber,
Deutsches-Erbland-Einverleiber,

Blut und Dreck in Wahlverwandtschaft
Zog das durch die deutsche Landschaft,
Rülpste, kotzte, stank und schrie:
Freiheit und Democracy.

Und kam, berstend vor Gestank,
Endlich an die Isarbank
Zu der Hauptstadt der Bewegung,
Stadt der deutschen Grabsteinlegung.

Informiert von den Gazetten,
Hungernd zwischen den Skeletten
Seiner Häuser stand herum
Das verstörte Bürgertum.

Und als der mephistische Zug
Durch den Schutt die Tafeln trug,
Traten aus dem Braunen Haus
Schweigend sechs Gestalten raus.

Und es kam der Zug zum Halten.
Neigten sich die sechs Gestalten
Und gesellten sich dem Zug,
Der die alten Tafeln trug.

Und sie fuhr’n in sechs Karossen
Alle sechs Parteigenossen
Durch den Schutt, und alles schrie:
Freiheit und Democracy.

Knochenhand am Peitschenknauf
Fuhr die Unterdrückung auf.
In ’nem Panzerkarr’n fuhr sie,
Dem Geschenk der Industrie.

Groß begrüßt, in rostigem Tank
Fuhr der Aussatz. Er schien krank.
Schämig zupfte er im Winde
Hoch zum Kinn die braune Binde.

Hinter ihm fuhr der Betrug,
Schwenkend einen großen Krug
Freibier. Müßt nur, draus zu saufen
Eure Kinder ihm verkaufen.

Alt wie das Gebirge, doch
Unternehmend immer noch,
Fuhr die Dummheit mit im Zug,
Ließ kein Auge vom Betrug.

Hängend überm Wagenbord
Mit dem Arm, fuhr vor der Mord.
Wohlig streckte sich das Vieh
Sang: sweet dream of liberty.

Und im letzten Wagen fuhr
Auf der Raub in der Montur
Eines Junkers Feldmarschall,
Auf dem Schoß einen Erdball.

Aber alle die sechs Großen,
Eingeseßnen, Gnadelosen,
Alle nun verlangten sie
Freiheit und Democracy.

Holpernd hinter den sechs Plagen
Fuhr ein Riesentotenwagen,
Drinnen lag, man sah’s nicht recht:
’s war ein unbekannt Geschlecht.

Und ein Wind aus den Ruinen
Sang die Totenmesse ihnen,
Die dereinst gesessen hatten
Hier in Häusern. Große Ratten

Schlüpften aus gestürzten Gassen,
Folgend diesem Zug in Massen.
Hoch die Freiheit, piepsten sie,
Freiheit und Democracy.

Bertolt Brecht

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